William Turner

»Prägende Figur der Rheinromantik«

William Turner Portrait by William Daniell, 1827

© National Portrait Gallery, London; CC BY-NC-ND 3.0

Wegbereiter der Moderne

Der Brite Joseph Mallord William Turner war einer der bedeutendsten Landschaftsmaler und Aquarellisten seiner Zeit. Und darüber hinaus. Mit seiner außergewöhnlichen Art, das Licht, die Atmosphäre und den Augenblick in der Natur einzufangen, beeinflusste er Generationen von Impressionisten und erschloss neue Wege für die zeitgenössische Kunst. Sein erster Aufenthalt am Rhein erweckte in Ihm eine tiefe Faszination für das Mittelrheintal und prägte seine neu gewonnene Sicht auf das Licht und die Farbigkeit.

»Ein Gigant unter den Künstlern, zielstrebig und kompromisslos, außerordentlich produktiv, revolutionär in seinem Ansatz, vollendet in seinem Handwerk, vorausschauend in seiner Vision.«

Mike Leigh, Regisseur des Films »Mr. Turner – Meister des Lichts«

Junger Überflieger

Am 23. April 1775 kommt William Turner in London zur Welt, wo er in bescheidenen Verhältnissen aufwächst. Schon sehr früh entdeckt sein Vater – ein Barbier und Perückenmacher – Williams künstlerisches Potenzial und ermöglicht erste Ausstellungen in seinem Frisörsalon. Anfänglich beschäftigt er sich mit Architektur- und Landschaftsstudien in seiner näheren Umgebung. Sein junges Talent verschafft ihm Zugang zu der renommierten Kunstschule »Royal Academy« in London, wo er fortan als Schüler lernt und ausstellt. Im Alter von 18 Jahren hat er sein eigenes Atelier. Mit dem Erfolg wächst auch sein Ansehen als Künstler, so dass er 1802 als vollständiges Mitglied an der Akademie aufgenommen wird. Fünf Jahre später erhält er dort die Professur für Perspektive.

Turners Stichwerk »Liber studiorum« veranschaulicht das Wechselspiel zwischen realistischer und idealisierter Darstellung des Klassizismus. Es umfasst eine Folge von 71 Mezzotintoradierungen, die im Zeitraum zwischen 1807 und 1819 entstanden. Mit dem Projekt versuchte Turner, die Landschaftsmalerei als Universalgattung zu stärken, die auch andere Genres, wie das der Historie, vereint.

Der Drang nach Ungesehenem

Als begabter Zeichner hat Turner stetig Aufträge und gelangt schnell zu einem beachtlichen Wohlstand. Seine frühen Werke folgen ganz dem Stil traditioneller, klassizistischer Malerei. Er widmet sich den alten Meistern wie Tizian, den Holländern und vor allem Claude Lorrain. Doch die bloße Nachahmung seiner Vorbilder genügt ihm nicht. Er will sie übertreffen und experimentiert mit spannungsgeladenen Darstellungen von Licht in all seinen Facetten. In ihm wächst die Sehnsucht nach Ungesehenem und dem Reiz ungezähmter Natur. Aus diesem Drang heraus bricht Turner nach der Jahrhundertwende auf, um den Rest Europas zu entdecken und neue Eindrücke und Inspirationen zu schöpfen – eine Entscheidung, die seine künstlerische Wahrnehmung entscheidend beeinflussen sollte.

William Turner – The Castellated Rhine

The Castellated Rhine © akg-images

In »The Castellated Rhine« collagiert Turner verschiedene Ansichten verschiedener Rheinmotive, vornehmlich Burgen und Landschaftslelemente insbesondere aus den Bereichen Kaub und Oberwesel. Die Pfalzgrafenstein ist deutlich zu erkennen. Der Name des Bildes rührt von Lord Byrons satirischem Werk »Don Juan«, in dem es heißt: »Und durch Berlin und Dresden und noch mehr, bis an die burggekrönte Flut des Rheins. Ihr gotischen Szenen, wundervoll und hehr, wie greift ihr an das Herz, sogar an meins!«. 1833 wurde das Bild gestochen und als Titelblattvignette für den 17. und letzten Band der Werke Lord Byrons genutzt.

Eine romantische Beziehung

Angeregt von Lord Byrons Verserzählung »Childe Harold’s Pilgrimage« und kürzlich erschienenen Reiseführern steht der Rhein im Fokus seiner Auslandsreise im Jahr 1817. Sie führt ihn über Belgien und die Niederlanden in die Region des oberen Mittelrheintals. Hier findet der nun 42 jährige Maler keine liebliche Idylle oder kultivierte Landschaft vor, wie sie das barocke Zeitalter schätzte, sondern das Unverfälschte und Ursprüngliche, nach dem Romantiker sich sehnen. Turner ist fasziniert von der erhabenen Landschaft um den poetisch verklärten Strom. Zeichnungen von schroffen Felsen, Lichtspielen im Wasser und pittoresken Städten füllen drei Skizzenbücher. In seinem Londoner Atelier entstehen daraus noch Jahre später eindrucksvolle Aquarellgemälde. Insgesamt elf mal sollte es Turner an den Rhein verschlagen – eine innige Beziehung, die ihren Ursprung vor genau 200 Jahren hatte.

In seinen Skizzenbüchern fertigte Turner nicht nur Zeichnungen der Ihn umgebenden Landschaftskulisse an. Insbesondere im kleinsten Format, dem »Itinerary Rhine Tour Sketchbook«, hielt er seine Gedanken zu wichtigen Stationen schriftlich fest. Auch Skizzen von Personen, Tieren und Wetterverhältnissen häufen sich. Diese vielseitigen Eindrücke machen deutlich, wie intensiv Turner die augenblickliche Atmosphäre erlebte und für sich verinnerlichte.

Mache dir selbst ein Bild von Turners Reiseverlauf. Begebe dich unter »Rheinreise 1817« direkt auf die Spuren des Malers oder verschaffte dir unter »Werke« eine Übersicht.

Im Sommer reisen – im Winter malen

Jahr für Jahr folgen weitere Reisen, vor allem in den Süden Europas. Es wird zur Regel, dass der Maler in den warmen Sommermonaten aufbricht, um in neuem Terrain Skizzen und Farbstudien anzufertigen. Im Winter beginnt er auf Basis seiner Zeichnungen mit der Arbeit an großformatigen Werken in seinem Atelier in London. Dabei verarbeitet er den reichen Fundus an Vorlagen mit seinen tief verinnerlichten Eindrücken der Reise zu spannenden Kompositionen – teils getreu der Wirklichkeit, teils collagiert, überhöht und romantisch verklärt.

Am Beispiel der Bopparder Stadtmauer lässt sich veranschaulichen, wie nah Skizze und Aquarell beieinander liegen können. In diesem Fall folgt Turner den wesentlichen Konturen und dem Bildaufbau der Zeichnung. Belebende Details der Gebäude, räumliche Tiefe oder die Personen im Vordergrund wurden erst in der Umsetzung ergänzt.

Licht und Farbe als zentrale Gestaltungselemente

Turner löst sich immer mehr von den detailgetreuen Landschafts- und Architekturdarstellungen. Stattdessen fixiert er die Natur auf atmosphärische Weise. Mithilfe von Farbexperimenten stellt er seinen eigenen, unkonventionellen Eindruck der Realität dar. Vom konservativen Publikum seiner Zeit erntet der Maler durch seine »Auflösung der Wirklichkeit« und die Diffusion der Farben harsche Kritik und Unverständnis. Befürworter hingegen priesen seine Darstellung des Lichts in all seinen Facetten und Schattierungen. Den Impressionisten war Turner mit dieser Malweise gut 25 Jahre voraus. Nicht umsonst wird der »Maler des Lichts« heute als Wegbereiter der Moderne gehandelt.

Diese Gouache-Serie der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz entstand ca. 1839, in einer späteren Lebensphase des Künstlers. Die intensiven und nahezu impressionistischen Züge der Zeichnungen machen Turners virtuoses Gespür für Farbstimmungen deutlich. Harte Konturen lösen sich auf und verschmelzen elegant mit den kraftvollen Farben des Motivs. Es wirkt fast wie eine Erinnerung, ein Gedanke an die außergewöhnlichen Erfahrungen und Lichtstimmungen, die Turner auf seinen Reisen tief verinnerlicht hat.

Turners Nachlass

Turner stirbt am 19. Dezember 1851 im Alter von 76 Jahren. Er wird in der Londoner St. Paul’s Cathedral begraben. Mit 100 Gemälden, fast 200 Ölstudien und mehr als 19.000 Skizzen, Aquarellen und Aufzeichnungen hinterlässt er ein beeindruckendes Lebenswerk.